26.02.24 · Aus der Nachbarschaft

Bürgerversammlung in der Agneskirche

Kirchen erleben derzeit keinen großen Ansturm. Das war am Donnerstagabend, dem 22. Februar, anders. Die Kirchengemeinde der St. Agnes Kirche hatte es ermöglicht, dass in der Kirche eine Versammlung der Bürgerinnen und Bürger des Agnesviertels mit dem Bezirksbürgermeister Hupke und verschiedenen Funktionsträgern durchgeführt werden konnte.

Es ging um nicht weniger als die Zukunft des Viertels.

Zahlreiche Sorgen waren an den Bezirksbürgermeister herangetragen worden: der Ebertplatz, die Nutzung der Oberfinanzdirektion (OFD), ausgelassene Feiern vor den Kiosken des Viertels mit entsprechender Lärmentwicklung, Raser auf der Riehler Straße und die Parkplatzsituation im Veedel besorgen die Menschen. Viele Veränderungen lassen sich anhand der immer zahlreicher und größer werdenden Baustellen erahnen. Presseberichterstattungen beunruhigen und lassen einige Menschen befürchten, dass unser Viertel kippt. Höchste Zeit, die Sorgen ernst zu nehmen und mit den Betroffenen darüber zu sprechen.

Wie hoch das Interesse war, zeigte eine vollständig gefüllte Agneskirche. Der Pastoralreferent staunte nicht schlecht über den Zulauf. Befürchtungen, dass sich Kirchen für Bürgerversammlungen weniger eignen, wurden weder gestellt noch waren sie ersichtlich. Es ging um die oben skizzierten Themen. Anwesend waren Vertreter der Bezirksvertretung, des Flüchtlingsrates, der Polizei und Sozialarbeit sowie der KVB. Die Veranstaltung war auf zwei Stunden angesetzt, sie dauerte fast bis zum Anschlag, obgleich die Kirche kalt war. Die Stimmung war es nicht.

Was waren die Ergebnisse?

Geplante Nutzung der OFD als Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge

Dieser Punkt kam wohl erst auf dringende Bitten der IGNNV auf die Tagesordnung. Damit wurde aber begonnen. Zu Recht. Viele der damit verbundenen Fragen bezogen sich auch auf die Probleme am nahen Ebertplatz. Bezirksbürgermeister und Bezirksvertretung verwiesen darauf, dass man der Stadt einen langen Fragenkatalog zur OFD geschickt habe (die Fragen wurden leider nicht mitgeteilt). Das Land erweckt den Eindruck, als Eigentümer selbst entscheiden und planen zu wollen. Besorgte Fragende hakten nach: muss die Stadt die Umgestaltung nicht genehmigen? Bedarf es nicht sogar einer Änderung des Bebauungsplans, der derzeit eine Büronutzung vorsieht? Gerade die Umnutzung für Familien und Einzelpersonen, die im Viertel zumindest einige Zeit (wie lange, wurde nicht bekannt) leben werden, sich hier integrieren sollen, erfordert naturgemäß eine ganz andere Infrastruktur, als dies bei Büroraum der Fall ist.

Die Kosten des Umbaus wurden erfragt. Ebenso gefragt wurde, ob sich ein aufwändiger Umbau lohnt oder ob man die Gebäude nicht auch für Dauerbewohner umbauen und somit rentabler nutzen könnte. Diese Fragen blieben unbeantwortet. Der Eigentümer werde dies selbst entscheiden, die Stadt könne dem nichts entgegensetzen. Die Antwort befriedigte naturgemäß nicht, zumal die im Viertel wohnenden Eigentümer wissen, dass jede Umnutzung ihrer Immobilie selbstverständlich städtische Erlaubnisse erfordert. Antworten soll es erst später geben. Man weiß, dass die Einrichtung 2026 in Betrieb gehen soll. Im 2. Quartal 2024 soll es erste Informationen an die Nahbarschaft geben. Mitgeteilt werden sollen vor allem Pläne, wie man im Viertel mit den ankommenden Menschen arbeiten und zurechtkommen will.

Was passiert am Ebertplatz?

Das Thema Ebertplatz nahm viel Raum in der Diskussion ein. Die Situation wurde allseits, auch von den Verantwortlichen, als unbefriedigend angesehen: die Konzentration des Drogenhandels am Platz, die Gefährdung der Schulwegsicherheit, das Gefühl der Unsicherheit auch für Erwachsene wurden von vielen Betroffenen gerügt. Polizei, KVB und Streetworker kennen und betonen diese Probleme ebenfalls. Einzelaktionen wurden als wenig erfolgversprechend angesehen, eine konzertierte Aktion aller drei Stellen sei nötig, dafür fehle es noch an einem Gesamtkonzept und einer gesicherten Finanzierung.

Der Streetworker empfahl eine Dauerpräsenz von mindestens zwei Sozialarbeitern, die einerseits Vertrauen bei Bewohnern, aber auch Obdachlosen und Personen aus einem prekären Milieu gewinnen können. Die 24/7-Präsenz der KVB – darauf wiesen viele hin – haben diesbezüglich Erfolge erzielt, leider läuft diese Maßnahme am 31.03.2024 aus. Verlängerung ist nicht geplant. Es fehlen die Ressourcen, darunter Geld und Personal, um die Maßnahme zu verstetigen. Ein anwesender Parteivertreter mahnte eine Zusammenarbeit aller demokratischen Parteien im Rat an. Er selbst wurde von Mitgliedern anderer Parteien scharf angegriffen, als er sich bei einer anderen Veranstaltung am Eigelstein engagiert zu Wort meldete. Dieses Klima sei nicht dazu angetan, die von allen Anwesenden angemahnte gemeinsame Anstrengung zu fördern.

Weitere Themen konnten aus Zeitgründen nicht mehr behandelt werden. Lediglich das ausufernde Feiern vor Kiosken oder in der Außengastronomie wurde noch kurz angetippt. Ein anwesender Mitarbeiter des Ordnungsamtes bat die Veedelsbewohner um Informationen, wenn Missstände auffallen. Man patrouilliere regelmäßig und könne sich auch schnell kümmern.

Fazit: Warum hat es so etwas nicht schon früher gegeben? Eine übervolle Agneskirche zeigt, wie hoch das Bedürfnis hierfür ist. Man wünschte sich nicht nur eine Fortsetzung, sondern auch eine genauere Information über die zu besprechenden Themen, weniger Zeit für die Moderation (überlange Moderationen wurden auf die charmanteste Weise mit lautem Beifall unterbrochen) und mehr Zeit für Fragen und Antworten. So könnte es gehen. Das Viertel kippt nicht, es funktioniert und viele sind dabei, es mitzugestalten.